Wie die russischen Kosaken 1812 gegen Napoleon kämpften

 

„Die Kosaken sind die besten leichten Truppen, die es gibt. Wenn ich sie in meiner Armee hätte, würde ich mit ihnen durch die ganze Welt marschieren“, sagte Napoleon über die russische Kosaken-Kavallerie, auf die er bei der Invasion der Großen Armee in Russland 1812 traf. Was war es, das den französischen Kaiser so beeindruckte?

Geborene Krieger

Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts waren die Kosaken hauptsächlich mit der Bewachung der Staatsgrenzen des Reiches beschäftigt. Diese irregulären Truppen zeichneten sich durch ihre hohe Kampfeffizienz, strenge Disziplin und Loyalität aus.

 

Von frühester Kindheit an wurden sie im Reiten und im Umgang mit verschiedenen Blank- und Schusswaffen ausgebildet. In ihrer Freizeit organisierten sie Kriegsspiele, studierten und übten taktische Fertigkeiten, die ihre Vorfahren von der Militärkunst der Nomadenvölker übernommen hatten.

Taktik der Kosaken

Die grundlegende militärische Formation der kosakischen Kavallerie in der Schlacht war die so genannte Lava-Formation, die auch von den mongolischen Invasoren verwendet wurde. Die Masse der Reiter bewegte sich verstreut in einer oder mehreren Reihen auf den Feind zu, was chaotisch wirkte. In Reihen von zehn bis zwölf Mann vereint, wirkten die Kosaken jedoch wie ein gut koordinierter Mechanismus in dieser „Lava“.

 

„Man weiß nicht, wie man gegen sie vorgehen soll; wenn man eine Reihe aufstellt, versammeln sie sich sofort in einer Kolonne und durchbrechen die Reihe; wenn man sie in einer Kolonne angreifen will, stellen sie sich schnell auf und greifen sie von allen Seiten...an“, beklagten sich die Offiziere der Grande Armée.

Sie bekämpften vor allem die leichte Kavallerie des Feindes, führten Aufklärungsoperationen durch, sabotierten, legten Hinterhalte, erbeuteten „Zungen“ (umgangssprachlich für Informanten), schlugen im Rücken der gegnerischen Armee zu und unterbrachen deren Verbindungen.

 

Deckung der russischen Armee

Zu Beginn des Vaterländischen Krieges von 1812 gehörten etwa 40.000 Kosaken zur russischen Armee. Die Hauptmasse bestand aus Vertretern der Donkosaken-Truppen des Atamanen Matwej Platow, zu denen sich die Schwarzmeer-Kosaken sowie tatarische, kalmückische und baschkirische Kavallerieregimenter gesellten.

Um eine Generalschlacht zu vermeiden, zogen sich die vereinzelten russischen Armeen unter dem Ansturm der überlegenen feindlichen Streitkräfte tief in das Russische Reich zurück. Mobile Kosakenregimenter deckten den Rückzug der Hauptstreitkräfte und versetzten den Franzosen unerwartete Schläge. Wie General Leontij Bennigsen feststelle, „nutzen sie den kleinsten Fehltritt des Feindes aus und lassen ihn ihn sofort bereuen“.

 

Wenn es die Situation erlaubte, griffen die Kosaken den Feind im offenen Kampf an. Am 9. Juli 1812 setzten sie bei dem Dorf Mir (heute in Zentralweißrussland) die Taktik des Wenterj (dt.: Einkehlung) gegen die polnischen Ulanen ein. Die Kosaken zogen sich zurück und lockten diese in einen Hinterhalt ihrer Hauptstreitkräfte.

 

Borodino

Zwanzig Kosakenregimenter und zwei Kosaken-Kavalleriekompanien nahmen am 7. September an der Schlacht von Borodino teil. Die Sternstunde der Kosaken war ein gewagter Überfall auf die linke Flanke der französischen Truppen.

Nachdem sie die Erlaubnis des Oberbefehlshabers der russischen Armee Michail Kutusow erhalten hatten, „sich in den Rücken des Feindes zu begeben“, überquerten die Donkosaken von Platow zusammen mit der Kavallerie des Reservekorps von General Fjodor Uwarow heimlich den Fluss Kolotscha und griffen die Franzosen blitzartig an, was diese in Chaos und Verwirrung stürzte.

 

Die Zahl der Angreifer betrug nicht mehr als sechstausend Mann, aber da Napoleon nichts davon wusste, war er gezwungen, seine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken und den Angriff auf die Stellungen der russischen Armee zu unterbrechen, was ihr einige Stunden Aufschub verschaffte. Nachdem die Truppen wertvolle Zeit gewonnen, die Konvois geplündert und Gefangene gemacht hatten, zog sich die Kavallerie von Platow und Uwarow zurück.

 

Vernichtung des Feindes

Kosaken waren die ersten der russischen Truppen, die nach dem schmachvollen Rückzug der französischen Armee am 19. Oktober in Moskau einmarschierten. Sie begannen sofort damit, Brände zu löschen, Leichen zu begraben, Kollaborateure mit dem Feind zu suchen und zu verhaften, Plünderer und Verbrecher festzunehmen.

Am frühen Morgen des 25. Oktober hatten die Kosaken in der Gegend von Malojaroslawez (121 Kilometer südwestlich von Moskau) die Chance, Napoleon selbst gefangen zu nehmen. Unerwartet für den Feind griffen sie seine Artilleriestellungen an und lieferten sich ein Gefecht mit dem Wachkorps, in dem sich auch Napoleon und sein Gefolge befanden. Die Kosaken, die sich ihres Glücks nicht bewusst waren, konzentrierten sich auf die Plünderung des Konvois und zogen sich zurück, als die französische Verstärkung erschien.

 

„Der Kaiser wurde fast inmitten seiner Wachen gefangen genommen! Es ist schon hundertmal gesagt worden, dass die Garde gut kämpft, aber schlecht bewacht“, beschrieb der kanadische Historiker George Denison im 19. Jahrhundert.

Die Kosaken verfolgten die einstige „Große Armee“ auf ihrer Flucht nach Westen und starteten gelegentlich Überraschungsangriffe. Anlässlich der Vertreibung der Franzosen aus dem Russischen Reich beglückwünschte Zar Alexander I. Ataman Platow: „Die Verdienste Ihres Dienstes und die Heldentaten der Ihnen unterstellten Kosakentruppen werden unvergesslich bleiben. Ihr Name ist zum Schrecken des Feindes geworden.“

Auch bei den bald darauf folgenden Feldzügen in Europa konnten sich die Kosaken gut bewähren. So retteten sie in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 den Zaren Alexander und den schwedischen König Karl Johan Bernadotte vor der Gefangenschaft oder gar dem Tod, als die Kavallerie von Marschall Joachim Murat zu ihnen durchbrach.

Die Kosaken gehörten zu den ersten der russischen Armee, die im März 1814 mit Alexander I. in Paris einmarschierten, wo ihr mühsamer, aber heroischer Kampf endete.

 

Quelle. RUSSIA BEYOND von Oleg Jegorow