4 Jahre Haft für Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen für „Buchhalter von Auschwitz“


Zu vier Jahren Haft ist der „Buchhalter von Auschwitz“ und ehemalige Aufseher des Konzentrationslagers Ausschwitz, Oskar Gröning, am 15. Juli 2015, wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verurteilt worden. Das Landgericht Lüneburg ging damit über das von der Anklage geforderte Strafmaß hinaus. Es steht noch nicht fest, ob der gesundheitlich angeschlagene Gröning haftfähig ist.

Als SS-Unterscharführer und Buchhalter war Gröning von 1942 bis 1944 im Konzentrationslager und Vernichtungslager Auschwitz tätig. 1944 wurden rund 425.000 Menschen aus Ungarn nach Auschwitz deportiert, mindestens 300.000 Menschen wurden in den Gaskammern getötet.

Die vierte große Strafkammer des Lüneburger Landgerichtes befand Gröning für schuldig. Er muss die Kosten des Verfahrens und die Auslagen für die Nebenklage tragen.

Im Prozess hatte Gröning seine Beteiligung und moralische Mitschuld am Holocaust eingeräumt. Im Alter von 21 Jahren bekam Gröning von der SS einen „Sonderauftrag“ zugewiesen. Gemäß seiner Aussage habe er zuvor eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen. Den Ort des Sonderauftrages (Auschwitz) erfuhr er erst später, ihm sei nur gesagt worden, dass die neue Tätigkeit nicht angenehm, aber wichtig sei. Ende September 1942 trat er seinen Dienst im KZ Auschwitz an. Aufgrund seiner Banklehre bekam er eine Dienststelle in der Häftlingseigentumsverwaltung zugewiesen. In dieser Funktion oblag ihm die Verwaltung des Geldes und der Wertgegenstände, die die Holocaustopfer bei sich trugen. Nach der Sortierung des Geldes in die verschiedenen Währungen sicherte er die Devisen in einem Tresor und verbrachte diese in gewissen Abständen in das SS-Wirtschafts- und Verwaltungsamt nach Berlin. Im Rahmen seiner Tätigkeit wurde er sowohl Zeuge des industrialisierten Massenmordes in den Gaskammern als auch Zeuge weiterer barbarischer Übergriffe und Morde. Grönings Bruder fiel in Stalingrad und ließ eine Verlobte zurück. Gröning übernahm dessen Eheversprechen. Mitte November 1943 stellte er bei der SS ein Gesuch um Hochzeitserlaubnis. Er heiratete noch während seiner Dienstzeit in Auschwitz. Im Frühjahr 1944 hatte Gröning Spuren der Massentötung an ungarischen Juden verwischt, indem er Gepäck der verschleppten Menschen an der Bahnrampe wegschaffte. Dadurch wurde die ankommenden Menschen getäuscht, was sie in Auschwitz erwartete „die Gaskammern“. Nach eigenen Angaben stellte er insgesamt drei Versetzungsgesuche an die Front, um der ihm unangenehmen Tätigkeit im Vernichtungslager Auschwitz zu entkommen.

Der „Ungarn-Aktion“ der deutschen Nationalsozialisten fiel im Zweiten Weltkrieg weit mehr als die Hälfte der jüdischen Bevölkerung in Ungarn zum Opfer. Von insgesamt 795.000 Juden kamen 502.000 ums Leben. Allein zwischen dem 16. Mai und dem 11. Juli 1944 wurden rund 425.000 Menschen aus Ungarn nach Auschwitz deportiert, mindestens 300.000 von ihnen wurden in den Gaskammern getötet.

Die Vertreter der Nebenkläger begrüßten das Urteil. Anwalt Thomas Walther sprach von einer „wunderbaren“ Entscheidung, die „Teil der deutschen Rechtsgeschichte“ werden könne. Auch der beim Urteil anwesende Auschwitz-Überlebende Leon Schwarzbaum äußerte sich erfreut. „Ich will keine Rache. Aber ich finde es gerecht, dass er verurteilt wurde“.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte das Urteil. Ihr Präsident Josef Schuster nannte es „sehr wichtig“. „Damit wurde ein NS-Täter zur Rechenschaft gezogen. Für unseren Umgang mit der deutschen Vergangenheit hat damit der Prozess einen wichtigen Beitrag geleistet.“ Für die Opfer und ihre Angehörigen habe die Verurteilung eine hohe Bedeutung.

Die Staatsanwaltschaft hatte nur dreieinhalb Jahre Haft gefordert, von denen 22 Monate als verbüßt angesehen werden sollten, weil eine Verurteilung schon vor Jahrzehnten möglich gewesen wäre. Erste Ermittlungen hatte es 1977 gegeben, Gröning wurde bereits 1978 als Beschuldigter vernommen. Anwälte der über 70 Nebenkläger hielten das von der Staatsanwaltschaft verlangte Strafmaß für zu gering. Die Verteidiger hatten dagegen auf Freispruch plädiert. Weder durch seine Anwesenheit an der Bahnrampe von Auschwitz-Birkenau noch durch das Zählen der Devisen habe Gröning „einen Beitrag geleistet, der offensiv den Holocaust gefördert hat“, sagte Anwalt Hans Holtermann. Für den Fall eines Schuldspruchs forderte die Verteidigung, Gröning dennoch nicht ins Gefängnis zu schicken.

Eva Pusztai-Fahidi, aus Budapest gekommen, sagt nach dem Ende des Prozesses: „Wir wollen nicht hassen, einfach aus diesem Grund, weil wir unsere Seele nicht mit dem Hass beflecken wollen. […] Aber verzeihen können wir nicht! Und wollen wir nicht!“


Neben Gröning gibt es noch mehrere Gerichtsprozesse in Deutschland, die sich jetzt erst mit Tätern und ihrer Beteiligung am Massenmord in den Konzentrationslagern im II. Weltkrieg beschäftigen.

Efraim Zuroff, Direktor des Standorts Jerusalem des Simon Wiesenthal Center, begrüßte das Urteil und forderte die deutsche Justiz auf weitere ungeklärte Fälle zu verfolgen.

Der Prozess war eine Zumutung für die wenigen Überlebenden, die noch die Kraft aufbringen konnten an der Verhandlung teilzunehmen. Sie empfinden ihn aber auch als eine Genugtuung.

Fahrt nach Moskau zum 9. Mai - dem Tag des Sieges über den Faschismus !

In der Zeit vom 06. – 11.05.2015 fuhren Mitglieder des Vereins und Freunde nach Moskau, einer großen Metropole von 11,5 Millionen Einwohner, ins Herz von Russland. Natürlich sollte es eine kulturelle Reise werden, in dessen Mittelpunkt der Besuch der Siegesparade anlässlich des 70-igsten Jahrestages über den Sieg über den Hitlerfaschismus sein sollte.

Also flogen 13 Personen vom Flughafen Berlin/Tegel nach Moskau. In Moskau erwartete uns schon ein Freund des Unterzeichners, der einen Bus zur Fahrt in das Hotel organisierte. Alle Buchungen wurden zuvor schon in Berlin getätigt.

Schon am nächsten Tag fuhren wir früh in die City, wir wollten die Generalprobe zur Parade sehen und dann weitere Sehenswürdigkeiten aufsuchen. Es schien als sei schon jetzt am 07. Mai die gesamte Stadt auf den Beinen. Ich glaube sagen zu können, dass wir die Flugzeugen und Helikopter am besten sehen konnten.

Auch am nächsten Tag ließen wir nichts in der Stadt aus. Eine Bootstour auf der Moskwa und eine Busrundfahrt geben uns nähere Eindrücke von der riesengroßen, sauberen und pulsierenden Metropole. Leider waren die Basilius-Kathedrale, der Kreml und das Leninmausoleum aus Gründen der Sicherheit geschlossen.

Es blieben aber weitere Sehenswürdigkeiten: wie die Christ-Erlöser Kathedrale, das GUM, die ewige Flamme für den unbekannten Soldaten, das staatliche Geschichtsmuseum mit der davorstehende Reiterstatur von Georgi Konstantinovic Shukow, die Einkaufsmeile „Arbat“ und der Fernsehturm, um nur einige zu nenen.

Dann der Tag der Parade, der 9. Mai 2015, es war ein schönes Wetter und wir haben uns schon zirka drei Stunden vor Beginn auf einen guten Stehplatz gegenüber des Zeitungsverlages Isvestja eingefunden. Wir standen vorn, aber es waren Menschenmassen die zur Strasse drängten. Leider haben wir somit nicht die Biodentruppen im Blick gehabt, aber die Panzer und Raketentechnik hat uns natürlich begeistert. Die Flugmaschinen flogen direkt über unsere Köpfe und als Millionen Russen zum Ende riefen: „ Russia, Russia, Russia“ gab es Gänsehaut. Nach der Parade fuhren wir zum Siegespark, auch hier befanden sich Millionen von Menschen. Es erfreute uns zu sehen, wie junge Menschen, Pioniere und andere kostümierte Kinder, Jugendliche, aber auch Jungerwachsene sich hier mit Kriegsveteranen trafen, Gespräche suchten und ihnen mit Blumen und anderen Geschenken dankten. Das kannten wir nur von frühen Zeiten, aus der Zeit der DDR. Wir stürtzten uns in das Getümmel und suchten auch Gespräche und machten viele Fotos. Einige von uns gingen in das Museum, andere Freunde der Reisegruppe gingen in das Borodino-Panorama Museum und anschließend zum Triumpfbogen am Siegesplatz.

Dann am 10. Mai noch einige Besorgungen und am 11. Mai 2015 flogen wir schon nach Berlin zurück. Es war eine schöne Zeit, leider viel zu kurz. So verabredeten wir schon jetzt ein neues Reiseziel Minsk 2016. ( 01.-05. Juli 2016).

Auch dem Unterzeichner hat die Organisation und Durchführung großen Spaß gemacht und schon jetzt freue ich mich auf die Freunde zur nächsten Reise.

Friedliche Grüße zum Tag des Sieges!

Michael Bock

Vorsitzender der VF e.V.     

Zerschlagung des Faschismus vor 70 Jahren



Der II. Weltkrieg ist vom faschistischen Hitler Deutschland ausgegangen und forderte viele Millionen Todesopfer. In den Konzentrationslagern der Nazis wurden Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zwangsarbeiter, politische Gegner, Widerstandskämpfer sowie Soldaten der Anti-Hitler-Koalition und unzählige andere Menschen ermordet.

Vor 70 Jahren, am 23. April 1945, befreiten Einheiten der Roten Armee, der 8. Gardearmee und der 1. Gardepanzerarmee unter W.I. Tschuikows den Bezirk Köpenick von Berlin von der faschistischen Wehrmacht. Am 8. Mai 1945 wurde die Kapitulation Hitler-Deutschlands in Berlin-Karlshorst unterschrieben. Dafür danken wir allen Alliierten – bestehend aus der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs.

Wir danken aber vor allem auch den Köpenickerinnen und Köpenickern, die den allgemeinen Wunsch verwirklichen halfen: „Lieber Trockenbrot essen, aber der verfluchte Krieg soll zu Ende sein.“


Die Pfarrersfrau Alida Ratsch verhinderte die Aufstellung einer Volkssturmkanone auf der Dammbrücke und so den Beschuss der Altstadt von Köpenick. Ähnliches erreichten auch viele Frauen aus Uhlenhorst. Andere, wie Karl Henkner, Herr Zoelisch und das Ehepaar Grubitz retteten die Lange Brücke in Köpenick- eines der wichtigsten Verbindungswege sowie den Spreetunnel und die Wernsdorfer Schleuse. Der Gastwirt des Müggelturms Wichelhaus verteidigte sein Restaurant gegen die SS-Zerstörungswurt, da die Bismarck-Sternwarte schon bereits zerstört wurde. Der Arzt, Dr.Stössel, eine Friedrichshagner Krankenschwester, Emil Kirchner aus Oberschöneweide und andere konnten mit weißen Fahnen Kämpfe und Zerstörungen verhindern und medizinische Hilfe leisten.

In Köpenick waren zum Kriegsende von 12.500 Häusern 3500 zerstört. Über 100.000 Menschen waren mit Nahrung zu versorgen. Das erste Friedensbrot – 500g pro Kopf – wurde aus russischem Mehl gebacken. Wir danken denen, die sich im Auftrag der Sieger für das Überleben der Besiegten sorgten, wie z.B. die vor 1933 demokratisch gewählten Bezirks- und Stadtverordneten Max Tolksdorf (SPD) und Gustav Klein (KPD).

Nicht alle empfanden damals Dank oder fühlten sich befreit. Gewiss aber diejenigen, die gegen Faschismus und Krieg Widerstand geleistet und die Köpenicker Blutwoche, Konzentrationslager, Verfolgungen, Misshandlungen überstanden hatten wie die Sozialdemokraten Maria Jankowski, Erwin Mante, Otto Linke von der SAP, die Kommunisten Ernst Oschmann und Heinz Hentschke, der Arbeitersportler Erich Lerche und er Zentrumspolitiker Dr. Heinrich Krone. Die meisten Köpenicker hatten wie die Mehrheit im „Dritten Reich“ mitgemacht, sich angepasst, geduckt und resigniert. Schwer wog für viele der Verlust von Angehörigen, von Hab und Gut. Für die einen war es das Ende, für die Anderen begann die Hoffnung auf einen Neuanfang.

In Erinnerung für die Köpenicker/innen ist die sofortige Hilfe der Alliierten bei der Versorgung der Bevölkerung, ihre Kinderfreundlichkeit, ihr Drängen auf schnellstmöglichen Schulbeginn und eines kulturellen Lebens, aber auch ihre Konsequenz bei der juristischen Verfolgung faschistischen Verbrechen geblieben. Allerdings vergessen viele auch nicht die Schrecken, die Entgleisungen, Gewaltverbrechen und Willkürakte der Besatzungsmächte in der ersten Zeit.

Für viele Köpenicker/innen brachte erst ein langer Prozess des Nachdenkens die Erkenntnis, dass der Frühjahr 1945 die Befreiung von einem verbrecherischem System war, das sie 1933 zugelassen und zwölf Jahre geduldet oder gar unterstützt hatten. In dieser Zeit demokratischen Umdenkens hätte wohl niemand geglaubt, dass 55 Jahre später die Zentrale der NPD in Köpenick errichtet werden würde.

Konflikte dürfen nicht mit Waffengewalt gelöst werden, wie es wieder weltweit geschieht. Damit aber der Ruf nach „Nie wieder Krieg“ nicht in Vergessenheit gerät, haben sich am 23. April 2015 viele Menschen, darunter der Bezirksbürgermeister Oliver Igel, der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi sowie mehrere Bezirksverordnete am Platz des 23. April, zur Gedenkkundgebung getroffen und gefordert:

„Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus! Gegen rassistische Parolen und Aufmärsche!“.


Kein Aufhebung der Verjährungsfrist

für Mord




Ein der letzten Auschwitz-Prozess findet in diesen Tagen vor dem Landgericht Lüneburg statt, angeklagt ist der 93-jährige SS-Soldat Oskar Gröning wegen Kriegsverbrechen. Warum erst jetzt und für welchen Zweck?

Was ist mit den mutigen Menschen aus der Gegenwart, die über Kriegsverbrechen und Mord berichten, wenn es sich sogar noch um ein demokratisches Rechtssystem handelt? Einer, der es in der Gegenwart nicht aushalten konnte bei Kriegsverbrechen und Mord wegzusehen, ist der damals 22-jährige US-Soldaten Bradley Manning, der hier im zweiten Teil des Artikels stellvertretend für die vielen anderen benannt wird.

Entsetzt fragen sich sicherlich viele Menschen, warum findet der Lüneburger Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning, dem Beihilfe zum Mord in mindestens dreihunderttausend Fällen zur Last gelegt wird, erst jetzt statt? Die nächste Frage stellt sich, wie alt ist der heute 93-Jährige, zur Tatzeit gewesen, wenn der Krieg schon 70 Jahre her ist und zu welchem Zweck wird dieser Mann für diese Taten zurückliegend zur Verantwortung gezogen? Mord und Kriegsverbrechen verjähren nicht. Darauf hat sich das heutige Deutschland vor Jahrzehnten und unter Schmerzen verständigt, aus guten Gründen, und genau mit der Absicht, keinen Nazi-Henker, keinen SS-Mörder ungestraft davonkommen zu lassen. Das aber bedeutet, dass auch ein Mann wie Oskar Gröning oder einer wie John Demjanjuk, der Wachmann im Vernichtungslager Sobibor war, vor Gericht gestellt werden müssen. Ganz gleich, wie alt er ist, wenn Anklage gegen ihn erhoben wird. Das ist die notwendige Konsequenz, dass es keine Aufhebung der Verjährungsfristen für Mord gibt. Es war klar und beabsichtigt, dass Alter nicht vor Verfolgung schützen sollte.

Es bleibt eine Mahnung für die Gegenwart und Zukunft, was die Juristen gern als „Generalprävention“ nennen: die unmissverständliche Botschaft nicht nur an den Täter, sondern an die Gesellschaft insgesamt, und an die Welt, dass Mord und Kriegsverbrechen egal in welcher Gesellschaftsform nicht hingenommen werden dürfen und diese Verbrechen konsequent bestraft werden müssen, damit die Herrschaft des Rechts wieder hergestellt wird, wenn es verletzt worden ist. Ganz gleich, wer der oder die Täter sind und wie lange die Taten zurückliegen. Das Signal, das auch von solchen Prozessen wie dem in Lüneburg ausgehen soll, ist an die Völkermörder, Kriegsverbrecher, Folterknechte und Gewaltherrscher in aller Welt gerichtet: Seid euch nie sicher, dass ihr ungestraft davonkommt, wenn solche Verbrechen verübt werden, den sie verjähren nicht.

Dieser Strafprozess dient in erster Linie dazu, eine Tat aufzuklären und den Angeklagten zu entlasten oder zu verurteilen. Aber eben nicht nur. Im Prozess gegen Oskar Gröning treten auch mehr als 60 Nebenkläger auf, teils Auschwitz-Überlebende, teils Angehörige von Ermordeten. Sie finden, was den NS-Opfern viel zu lange in deutschen Gerichtssälen verweigert wurde: Gehör und Gerechtigkeit.

Dass die deutsche Justiz, die bei der Verfolgung von NS-Verbrechen über Jahrzehnte so furchtbar versagt hat, diesen Menschen heute endlich einen Ort gibt, von dem zu erzählen, was ihnen Ungeheuerliches widerfahren ist, das allein rechtfertigt schon die letzten NS-Prozesse.

Er räumte ein, 1942 gleich bei seiner Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz von der dortigen Vergasung der Juden erfahren zu haben. „Ich bitte um Vergebung. Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden.“ Der Angeklagte war zur damaligen Tatzeit gerade einmal 20 Jahre alt. Er hat gestanden, dass er nichts gegen das faschistische System getan hat, sondern seinen Befehlen gehorcht hat. Er zeigt sich jedoch seiner moralischen Schuld bewusst. Die Staatsanwaltschaft wirft Gröning vor, Geld und Wertgegenstände aus dem von Häftlingen zurückgelassenen Gepäck an die SS weitergeleitet zu haben. Außerdem soll er bei mehreren Gelegenheiten das von den Opfern auf der berüchtigten sogenannten Rampe zurückgelassene Gepäck bewacht haben. In seiner knapp einstündigen Aussage räumte der damalige Freiwillige der Waffen-SS alle Vorwürfe ein.

Es ist vielleicht schon ein Ergebnis dieses Verfahrens, dass auch über gegenwärtige Kriegsverbrechen und deren juristische Konsequenzen nachgedacht werden muss. Die Richter werden seine Einsicht, seine Reue, sollten sie ihn denn verurteilen, bei der Zumessung der Strafe gewiss berücksichtigen – genauso wie sein Alter. Angedacht wäre eine Bewährungsstrafe, eine Aussetzung der Vollstreckung, ein sehr offener Vollzug. Auch darin zeigt sich der Rechtsstaat: Er verfolgt, er verurteilt, er bestraft Mord und gibt damit den Angehörigen der Opfer einen Trost, etwas Gerechtigkeit gefunden zu haben.

Darüber gibt es gegenwärtig sicherlich auch viele Fälle, dass Soldaten Befehle verweigern und Fakten veröffentlichen, da diese Kriegsverbrechen darstellen. Einer, der es auch nicht aushalten konnte bei Kriegsverbrechen und Mord wegzusehen, ist der damals 22-jährige US-Soldaten Bradley Manning, der hier stellvertretend benannt werden sollte. Die heute 27 Jährige möchte gern als Chelsea Manning benannt werden. Bradley Manning wurde allerdings zu 35 Jahren Freiheitsstrafe wegen Spionage verurteilt. Es wurde dem Soldaten vorgeworfen, die Quelle zu sein, welche detailliertes Schrift- und Audiomaterial geliefert zu haben, welches über Kriegsverbrechen, Korruption, Folter und Verletzung gegen die Menschenrechte beinhaltete und durch die Internetplattform WikiLeaks veröffentlicht zu haben. Eines dieser weiter gegebenen Dokumente soll die Videoaufnahmen eines Beschusses und den Tod irakischer Zivilisten sowie zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters durch einen amerikanischen Kampfhubschrauber am 12. Juli 2007 in Bagdad zählen, die unter dem Titel „Collateral Murder“ durch WikiLeaks-Gründer, Julian Assange, der sich seit fast drei Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London im Asyl befindet, bearbeitet und bereits weltweit in den Medien veröffentlicht wurden. Bei diesem Angriff wurden auch die Helfer auf der Straße durch den Kampfhubschrauber getötet, die Verletzte retten wollten. Zwei Kleinkinder, die sich in dem Van befanden, überlebten schwer verletzt.

In einem anonymen Interview gegenüber einem Nachrichtenportal im Internet äußerte Manning, er müsse ein Doppelleben führen, da er als Frau leben möchte. Als er aufgeflogen ist, dass er geheime Dokumente weiter gegeben hat, wurde er für viele Monate unter extremen Bedingungen in Haft gesetzt. Er musste sich 23 Stunden am Tag in seiner Zelle aufhalten und hatte auch in der restlichen Stunde keinen Zugang zu Nachrichten und aktuellen Informationen. Bettlaken, Kissen und seine Brille wurden ihm verwehrt. Im Jahr 2011 veröffentlichten renommierte Juristen der Harvard Law School einen offenen Brief, in dem sie Mannings Haftbedingungen als erniedrigend, unmenschlich, illegal und unmoralisch bezeichneten. Bis heute bezeugt sie ihren Gerechtigkeitssinn damit, die Öffentlichkeit mit diesen Informationen über Mord im Kriegsdienst wachgerüttelt zu haben.

Manning ist bereits für den Friedensnobelpreis nominiert worden und hat zahlreiche Ehrungen und Preise für ihren Mut und ihre Tapferkeit, inklusive der Benennung als „Person des Jahres“ der britischen Zeitung „The Guardian“ im Jahr 2012, verliehen bekommen.

Ungefähr in dem gleichen Alter wie der US-Soldat Manning befand sich der SS-Soldat Oskar Gröning im Konzentrationslager Auschwitz. Er konnte nichts gegen die faschistische Diktatur tun mit der Begründung, es hätte für ihn die Todesstrafe bedeutet können. Er zeigt sich jedoch nach 70 Jahren seiner moralischen Schuld bewusst.

Immanuel Kant (1724-1804) sagte bereits: ,,Es kann ihm (dem Offizier) aber billigerweise nicht verwehrt werden, als Gelehrter, über die Fehler im Kriegsdienste Anmerkungen zu machen, und diese seinem Publikum zur Beurteilung vorzulegen.“


Was ist mit den mutigen Menschen aus der Gegenwart, die über Kriegsverbrechen und Mord berichten, wenn es sich sogar noch um ein demokratisches Rechtssystem handelt? Warten wir auch 70 Jahre und versuchen dann noch juristische Konsequenzen einzufordern?

Gedenken an den 70. Jahrestag zur Befreiung des KZ Auschwitz




„Der heutige Gedenktag [27.1.2015] ist nicht irgendeiner. Dieser Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist in Deutschland seit 1996 ein bundesweiter Gedenktag. 2005 wurde dieser Tag zudem von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts erklärt, oft verkürzt zum Holocaust-Gedenken. Erinnert wird aber nicht nur an Juden, sondern auch an Christen, Katholiken, Sinti und Roma, politisch Andersdenkende, Frauen und Männer des Widerstandes, Kriegsgefangene, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Deserteure, Zwangsarbeiter, an all jene also, die unter der unmenschlichen Nazi-Gewalt entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden und das in bis dato nie dagewesener Größenordnung.“ waren die Eröffnungsworte des Bezirksverordneten Hans Erxleben (Die Linke) aus Berlin Treptow-Köpenick.

Der von unserer Bezirksverordnetenversammlung bereits im Dezember 2014 interfraktionell beschlossene Aufruf aller demokratischen Parteien zu einer Schweigeminute und dem Gedenken an den 70. Jahrestag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar, stellt eine neue Form des Gedenkens dar, um durch ein kurzes Innehalten Mitgefühl mit den Opfern, aber auch den Überlebenden und ihren Nachkommen zu signalisieren. Die Zustimmung zu diesem Antrag war bereits ein Bekenntnis und Ausdruck unserer aller Empathie in der Volksvertretung.

„Lassen Sie uns auch hier eine Minute schweigen. Auschwitz macht immer noch sprachlos, aber wir müssen auch immer wieder darüber reden, erinnern und mahnen.“ sagte Hans Erxleben am Denkmal zur „Köpenicker Blutwoche am Platz des 23. April“ im Beisein unseres Bezirksbürgermeisters Oliver Igels (SPD), des Bezirksvorstehers Peter Groos (B’90 Grüne), den Vertretern der Vereinigung Verfolgter des Naziregimes (VVN), zahlreichen Bezirksverordneten alle demokratischen Parteien sowie Bürgerinnen und Bürgern aus Berlin.

Als am 27. Januar 1945 Soldaten der Roten Armee die wenigen Überlebenden des KZ Auschwitz befreiten, waren die Krematorien des größten Vernichtungslagers der Nazis noch warm, die Massengräber noch offen. Bis zuletzt hatte die Vernichtungsmaschinerie der Nazis auf Hochtouren gearbeitet, die Sprengungen zur Beseitigung der Spuren waren in letzter Minute angebrochen worden. In einer der Gaskammern hatte die SS noch schnell einen Luftschutzbunker eingerichtet – für sich selbst. Dieser Lagerkomplex war die größte Gaskammer der Welt. Die Befreiung von Auschwitz war der Anfang der Befreiung vom Nationalsozialismus, der Europa mit einem Angriffskrieg, mit Raub und Vernichtung überzogen hatte. Auschwitz ist mit denen dort über eine Million Ermordeten zu einem weltweiten Symbol für den Holocaust, die Shoah, den Genozid, industrialisierten Völkermord geworden. Das war die Hölle auf Erden. Der Eingang war die Rampe, der Ausgang der Schornstein. KL, die Nazi-Abkürzung für KZ hieß in Auschwitz „Kein Leben“.

Die nachfolgenden Generationen sowie einige zahlreiche Zuhörer wissen sehr genau, aus eigener Betroffenheit, wovon bei dieser Todesfabrik die Rede ist, denn für viele verbinden sich damit persönliche Schicksale aus eigenen Familien, d.h. hinter den unfassbaren Zahlen stehen konkrete Namen und Gesichter. „Wie die in Auschwitz vergasten Großeltern meiner Ehefrau“ sagte Hans Erxleben „Jacob und Rosalia Rubinstein, völlig unpolitische Menschen, aber schon an ihrem Namen als Juden erkennbar. Das war ihr Makel, das war ihr Todesurteil.“

Wer glaubt, das Auschwitz und die Arbeitslager der Nazis, seien sehr lange her und weit weg, den müssen wir eines Besseren belehren, denn wie aktuell das alles ist, zeigt u.a. auch ein unsäglich zynischer Kommentar auf der rechten Facebook-Seite von „Nein zum Heim in Köpenick“, also aus unserem Bezirk, vom 19.September 2014, in dem es heißt: “Alle ausländischen Bürger bitte einsteigen in den Zug Nr.88 Richtung Auschwitz über Dachau, bitte anschnallen, viel Spaß mit diesem Sonderzug.“ Gegen diesen mordhetzerischen Aufruf zur Deportation wurde Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet. Das Ergebnis – unbekannt.

Am 29. Januar 2015 wurde eine Resolution zum Brandanschlag auf das Auto des Vorsitzenden des Integrationsausschusses der BVV und Sprechers des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, Hans Erxleben, verabschiedet, dass diesen Brandanschlag verurteilt. Dies stellt ein Angriff auf einen in der Demokratie- und Menschenrechtsarbeit aktiven Menschen und uns alle Demokratinnen und Demokraten dar. Die Bezirksverordneten aller demokratischen Parteien stellen sich solidarisch hinter den Kollegen und ermuntern alle Bürgerinnen und Bürger, Gesicht zu zeigen und sich für ein tolerantes und friedliches Miteinander und gegen alle Ideologien der Ungleichwertigkeiten der Menschen einzusetzen.

Sabine Bock / Hans Erxleben
Bezirksverordnete der BVV Treptow-Köpenick von Berlin

Sein Vater, von 1928 bis 1933 war Abgeordneter im Preußischen Landtag und ab 1933 in antifaschistischen Widerstandsgruppen aktiv, wurde 1934 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt und konnte erst in den Wirren des April 1945 aus dem Zuchthaus Nürnberg entkommen.

Gemeinsam kämpfte Roman Rubinstein u.a. mit meinem Großvater Walter Zwirner in der „Résistance“ der antifaschistischen Widerstandsbewegung in Frankreich gegen die Nazis im 2. Weltkrieg.